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Überblick über Covid19-Situation in Italien (Stand: 04.04.2020)

Seit Ende Januar 2020 ist das neue Coronavirus Covid19 ein Thema weltweit. Vor zwei Monaten wurde die dramatische Lage im chinesischen Wuhan bekannt, wo diese neue tödliche Atemwegskrankheit viele Opfer gefordert hatte. Kurz danach begann das Virus, sich in die ganze Welt rasant zu verbreiten.

In Europa wurde die Lage in Italien sofort ernst. Am 21. Februar stiegen die Corona-Fälle in Codogno (Provinz Lodi, Lombardei) und Vo’ Euganeo (Provinz Padua, Venetien) und beide Gemeinde zusammen mit anderen neun Gemeinden der Provinz Lodi wurden mit dem Dekret vom 23. Februar als „rote Zone“ erklärt: Das öffentliche Leben wurde stillgelegt und für die Bürger galt eine Ausgangssperre.

Am 8. März wurden dann die gesamte Region Lombardei und weitere 14 Provinzen als Sperrgebiet erklärt. Diese Nachricht setzte viele Süditaliener mit Wohnsitz in Mailand und Umgebung in Panik, so dass hunderte von Menschen in der Nacht zum Hauptbahnhof strömten, um schnell den letzten Nachtzug Richtung Süden zu nehmen und die Familie zu erreichen, bevor die Sperre in Kraft treten würde. Auch zahlreiche Mailänder versuchten, ihre Ferienhäuser in andere Regionen schnell zu erreichen. Diese Tatsachen führten zum unmittelbaren Erlass des nächsten Dekrets „Io resto a casa“ („Ich bleibe zu Hause“) ein Tag später, so dass seit dem 10. März die Maßnahmen für ganz Italien bis zum 3. April gelten. Sie werden aber angesichts der dramatischen Situation insbesondere in Norditalien immer wieder verschärft und verlängert, so dass es schwierig ist, zu sagen, wann sie gelockert werden können. Mit Dekret vom 1. April werden die Ausgangssperre und die aktuellen Einschränkungen mindestens bis zum 13. April weitergeführt. Die Bürger dürfen seit über drei Wochen nur mit einer auf der Webseite der Regierung herunterladbaren Selbsterklärung ihre Wohnung verlassen, in der sie angeben müssen, ob sie beruflich, aus triftigen Gründen (z.B. Lebensmittel einkaufen, ältere Verwandte betreuen…) oder aus gesundheitlichen Gründen unterwegs sind. Die Bescheinigung wurde schon vier Mal verändert und aktualisiert, u.a. muss man jetzt auch ankreuzen, dass man nicht positiv getestet wurde und sich nicht in Quarantäne befindet. Seit Ende März dürfen die Bürger die eigene Gemeinde nur im Notfall verlassen. Die Polizei kontrolliert und bei Falschangaben wird ein Verfahren eingeleitet. In ganz Italien herrscht mittlerweile ein Lockdown: Nur Supermärkte, Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Tabakläden, Drogeriemärkte und Kioske sind geöffnet. Die Kunden müssen mindestens 1 Meter Abstand halten, der Zutritt in die Räumlichkeiten der Läden ist eingeschränkt, damit nicht zu viele Leute gleichzeitig dort sind, und es bilden sich stundenlange Schlangen vor den Supermärkten. Schulen und Universitäten haben seit den Faschingsferien nicht mehr geöffnet, Unterricht findet online statt bzw. Materialien und Hausaufgaben werden übers Internet zur Verfügung gestellt – es ist nicht auszuschließen, dass die Schüler ihre Klassenzimmer in diesem Schuljahr (bis Mitte Juni) nicht mehr betreten werden. Diskutiert wird momentan auch, wie Abitur oder Abschlussprüfungen abgehalten werden sollen. Wenn möglich, sollen Berufstätige im Home-Office arbeiten. Öffentliche, religiöse, Kultur- und Sportveranstaltungen sind abgesagt. Parks, Spielplätze, Gärten wurden geschlossen, nachdem zu viele Leute dort ihre Freizeit am Anfang verbrachten. Restaurants und Bars durften am Anfang noch bis 18.00 Uhr geöffnet bleiben und den Sicherheitsabstand garantieren, seit dem 10. März mussten sie aber komplett schließen. Viele Restaurants, Pizzerien und Konditoreien spenden ihre Produkte an das Pflegepersonal in den Krankenhäusern, das ununterbrochen arbeitet.

Vor allem wird die italienische Lebensart, oft auszugehen, sich herzlich zu umarmen, sich in Bars und Restaurants regelmäßig zu treffen drastisch verändert und man muss enorme Abstriche machen. Für die Italiener ist dies deutlich kontrastreicher als z.B. für Nordeuropäer, die ohnehin viel mehr zu Hause und von zu Hause aus tun, beruflich wie privat. Die Plätze sind von Mailand bis Palermo, auch in Bologna, auch in den mittelhessischen Partnerstädten Ferrara und Siena wie leergefegt. Das Wasser in den Kanälen von Venedig ist wieder klar, dort und auch vor der Hafenstadt Genua hat man wieder Delfine gesehen. Die Bilder sind beeindruckend.

In den ersten Tagen der Ausgangssperre fanden auch zahlreiche Initiativen statt, die durch ganz Italien über die sozialen Netzwerke kursierten, wie ein Flashmob mit Aufruf, von den Balkonen abends die Nationalhymne und andere Lieder zu singen, um auf Distanz vereint zu bleiben und sich Mut zu machen, die Applauswelle für Ärzte und Pflegepersonal, die momentan als nationale Helden gelten, oder das gleichzeitige Anzünden von Kerzen oder Taschenlampen auf den Fenstern bzw. Balkons. Kinder wurden auch aufgefordert, Regenbögen zu malen und mit den Wörtern „Andrà tutto bene“ („Alles wird gut“) zu beschriften und die Plakate am Fenster oder Balkon zu hängen.

Leider hat die dramatische Lage auch die Stimmung der Leute betrübt. Die Bilder aus den überfüllten Krankenhäusern und der Särge in Bergamo, die steigende Anzahl von Toten, die in der täglichen Pressekonferenz des Zivilschutzes angekündigt werden, die Ungewissheit und die finanziellen Sorgen haben die Menschen überwältigt. Mit dem Dekret vom 22. März wurde weiterhin ein Produktionsstopp für nicht notwendige Industrien angeordnet. Viele Kleinunternehmer, Selbständige, Händler erleiden Riesenverluste und auch zahlreiche Arbeitnehmer werden nur in Kurzarbeit beschäftigt. Arbeitskräfte ohne Verträge und Zeitarbeiter sind ebenfalls schwer betroffen. In Palermo sind schon Plünderungsversuche in Supermärkten vorgekommen, die die Polizei verhindert hat. Die Regierung will mit dem Dekret „Cura Italia“ vom 17. März das Gesundheitssystem ausbauen und Familien, Selbständige, Unternehmen und Arbeitnehmer während der Corona-Krise unterstützen. Unter den Maßnahmen werden einmalige 600 Euro Entschädigungszahlung für Selbständige und Händler bereitgestellt sowie Babysitter-Bonus und befristete Elternzeit für berufstätige Eltern gewährt, für Betriebe werden Steuerzahlungen und Finanzierungszinsen ausgesetzt bzw. verschoben.

Insbesondere die norditalienische Region Lombardei ist vom Coronavirus heimgesucht. In den Provinzen von Bergamo und Brescia sind die Krankenhäuser an ihre Grenzen gekommen und viele Erkrankte können nicht eingeliefert werden, weil es an freien Betten mangelt. Mehrere Ärzte und Krankenpfleger haben sich ebenfalls infiziert, da Schutzkleidung fehlt. Militärkonvois fahren die Särge aus Bergamo zu anderen Städten (auch nach Ferrara) zur Einäscherung, da das lokale Krematorium überfordert ist. Im Moment ist es nicht möglich, eine würdige Beerdigung der Opfer zu veranstalten. Nur in Bergamo und Provinz zählt man über 2000 Covid19-Tote; lokale Quellen und Datenforschungsinstituten berechnen aber zwischen 4500 und 5000 Opfer im letzten Monat.

Modefirmen wie Armani haben ihre stillgelegte Produktion in die Herstellung von Schutzkleidung verwandelt, Ingenieure konnten Schnorchelmasken mit einem 3D-Ventil versehen und als Beatmungsgerät verwenden. Auch in dieser Situation zeigen die Italiener ihr Improvisationstalent.

Deutschland versucht auch zu helfen. 63 Corona-Patienten wurden in Krankenhäuser der Bundesrepublik (u.a. Dresden, NRW, Berlin, Bayern und 14 Covid-Schwerkranke aus der Emilia Romagna in die europäische Partnerregion Hessen) durch die Luftwaffe eingeflogen. Nach einem anfänglichen Exportstopp von Schutzausrüstung Anfang März wurden eine Million Schutzmasken, sieben Tonnen Hilfsgüter, darunter auch 300 Beatmungsgeräte, und Ärzte als Unterstützung nach Italien geschickt. Zwischen den Staatspräsidenten Frank-Walter Steinmeier und Sergio Mattarella gab es eine freundliche Korrespondenz. Solidarität wird auch von der deutschen Bevölkerung gezeigt, z.B. in den sozialen Netzwerken kursierte ein Videos von Bürgern aus Bamberg, die mit dem Lied „Bella ciao“ den Italienern eine schnelle Befreiung vom Virus wünschten, die Nachrichten über die italienische Corona-Tragödie werden meistens mit Mitgefühl kommentiert, und sogar die BILD-Zeitung hat am 3. April mit einem Artikel Solidarität für Italien ausgedrückt.

Am 4. April 2020 zählt Italien seit Beginn der Pandemie 124.632 Covid-Fälle, darunter 88.274 aktuell positiv, 15.362 Tote (noch vom Gesundheitsinstitut Istituto Superiore di Sanità zu bestätigen) und 20.996 Genesene.


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