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DIG Mittelhessen e.V. ließ das Jüdische Nationalmuseum (MEIS) in Gießens Partnerstadt Ferrara online kennen lernen

Nach einigen Videokonferenzen zur Kontaktaufnahme und einem Besuch während der Reise der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Mittelhessen e.V. in Gießens Partnerstadt Ferrara im vergangenen April konnte die DIG das Jüdische Nationalmuseum (Museo Nazionale dell’Ebraismo Italiano e della Shoah – MEIS) in zwei Online-Veranstaltungen im Rahmen der Europawoche im Mai einem breiteren Publikum kennen lernen und entdecken lassen.

Beide Events wurden zweisprachig von der 1. Vorsitzenden der DIG Mittelhessen e.V. Rita Schneider-Cartocci moderiert und von der Dolmetscherin Ivanna Jardella aus Gießen übersetzt.

Im ersten Termin ging es um die Vorstellung des neuen Jüdischen Nationalmuseums MEIS, das vor vier Jahren eröffnet wurde. Frau Rachel Silvera, Mitarbeiterin des Museums, führte das zugeschaltete Publikum durch die verschiedenen Räumlichkeiten mittels einer Präsentation und ausführlicher Erklärungen. Das Museum befindet sich im ehemaligen Gefängnis von Ferrara, wo während des Krieges auch Antifascisten und jüdische Intellektuelle wie der Schriftsteller Giorgio Bassani inhaftiert wurden. Das Projekt, den Sitz des Jüdischen Nationalmuseums ausgerechnet in diesem Gebäude zu bauen, stellte die Herausforderung, einen Ort der Einsperrung in einen offenen und inklusiven Raum zu verwandeln. Das MEIS ist komplett barrierefrei, hat spezielle Rundgänge für sehbehinderte Menschen und arbeitet gerade an der Barrierefreiheit für Hörgeschädigte. Es werden im Moment noch zwei neue moderne Gebäude geplant.

Im MEIS kann man die Geschichte der italienischen Juden in verschiedenen Milieus erfahren. Die bedeutendsten Themen wie die Vorurteile, die Diskriminierung, das glückliche, aber auch das dramatische Zusammenleben in Italien, werden mit der multimedialen Installation „Con gli occhi degli ebrei italiani“ (Durch die Augen der italienischen Juden) eingeführt. Interaktiv ist das Labyrinth „Il giardino delle domande“ (Der Garten der Fragen), wo die wichtigsten Pflanzen der jüdischen Küche wachsen und die Besucher Informationen über die jüdische Ernährung erhalten. Sie finden den richtigen Weg durch das Labyrinth, indem sie hierzu Fragen korrekt beantworten.

Die Dauerausstellung „Ebrei, una storia italiana“ (Juden, eine italienische Geschichte) zeigt die ersten Tausend Jahre der Präsenz des Judentums in Italien von der römischen Zeit bis zur Renaissance dank zahlreicher Gegenstände, Statuen, Leihgaben und multimedialer Materialien. Eine zweite Dauerausstellung trägt den Titel „1938: l’umanità negata“ (1938: die aberkannte Menschheit) und stellt die Rassengesetze multimedial dar.

Das MEIS bietet dazu noch mehrere Services an, wie eine Bibliothek mit über 600 Büchern, einen Bookshop, ein didaktisches Klassenzimmer, Online-Aktivitäten und -Kurse, die während des Lockdowns sehr beliebt waren. Es fand auch eine Online-Tagung für Gymnasien mit 12.000 Schülern statt.

Das Museum organisiert auch das jährliche jüdische Buchfest, Fahrradausflüge und ein jüdisches Open-Air-Kino im Sommer.

Im MEIS finden auch Sonderausstellungen statt. Im zweiten Online-Event mit der DIG Mittelhessen e.V. ging es ausführlicher um die Ausstellung „Oltre il Ghetto. Dentro&Fuori“ – Jenseits des Ghettos. Von innen nach außen“, die bis Anfang Juli lief. Eingeführt wurde die Veranstaltung vom Leiter des MEIS Dr. Amedeo Spagnoletto, der sich bei der DIG-Vorsitzenden Rita Schneider-Cartocci für ihr Engagement in der Knüpfung und Pflege der Kontakte bedankte. Er freue sich, dass die kulturelle Brücke zwischen den Partnerstädten Gießen und Ferrara und den jüdischen Gemeinden bereichert wird. In der Zukunft könnten kleine Gruppen von Ferrara nach Gießen reisen.

Spagnoletto erklärte, dass diese Ausstellung die dritte historische Ausstellung, nach der über die ersten tausend Jahre des Judentums in Italien und der über die Renaissance, ist. Er lud alle Interessenten schon zur nächsten Ausstellung ein, die im Oktober eröffnet wird und keine historische mehr ist. Das Thema wird jetzt die Bräuche und Traditionen der jüdischen Welt sein, in diesem Fall insbesondere das ländliche Fest Sukkoth.

Die Ausstellung „Oltre il Ghetto” wurde dann von Museumführerin Federica präsentiert. Diese Ausstellung erläutert die schwierige Beziehung zwischen drinnen, im Ghetto, und draußen, außerhalb des Ghettos, von 1516, als das erste Ghetto in Venedig geschaffen wurde, bis zur Periode der Emanzipation vor dem Ersten Weltkrieg. Durch Werke und Exponate aus Italien und der ganzen Welt sowie Gegenstände des alltäglichen Lebens wird die Geschichte der Juden in diesem Zeitraum unter dem historischen und soziologischen sowie persönlichen Gesichtspunkt dargestellt. Ziel der Ausstellung ist es, die Rolle des Ghettos in Bezug auf die jüdische Identität zu deuten und die große Kultur zu veranschaulichen, die sich in den Ghettos entwickelte.

Federica zeigte bedeutende Gemälde, Bücher, Torah-Rollen, Kerzenhalter, die die Verbindung zwischen Jüdischsein und italienischer Geschichte darstellen. Außerdem hob sie die Wichtigkeit der Figur von Esther als Kontaktpunkt zwischen Judentum und Christentum hervor. Die persönliche Geschichte einiger Figuren wie Edgardo Mortara im 19. Jahrhundert oder die Familie Rosselli im Risorgimento sind Beispiele der Beziehungen zwischen den italienischen Juden und der Kirche bzw. der Politik.

Mit dem letzten Dia wurden die Möglichkeiten der Integration präsentiert, die die Juden als normale Bürger nach der Auflösung der Ghettos hatten. Dieser Pakt endete im Jahr 1938 mit den Rassengesetzen des Faschismus – was Thema der Dauerausstellung „1938: l’umanità negata“ ist.

Nach beiden Veranstaltungen konnten sich die Teilnehmer mit Fragen und Bemerkungen auf Deutsch und Italienisch in eine interessante Diskussion einbringen.

Weitere Informationen zum MEIS sind auf seiner Webseite https://meis.museum/ auf Italienisch und Deutsch zu finden.


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